Paramentik – Ästhetik der Anbetung und Gottesverehrung

 

 

 

Die Hl. Birgitta von Schweden sagt:

 

Die priesterlichen Gewänder sind die Zeichen oder Sinnbilder der Zierden und Tugenden, mit denen die Seelen der Priester geschmückt sein müssen und durch welche sie mächtig sind, den Teufel zu überwinden.“

 

Ein hoher Segenszuspruch an die Paramente!

 

 

 

Wir versuchen dies etwas zu verstehen.

 

 

 

Es gibt unter den jungen Priestern eine immense Freude, in die Riten der Jahrhunderte eintauchen zu können – sich in die Stellvertretung Christi einzukleiden, in die Messparamente, die zahllose Heilige getragen, ja ganze Generationen im Glauben bestärkt haben.

 

Freilich: Keine Äußerlichkeiten an sich garantieren jemals, dass wir „den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh4,23). Und doch beinhalten die Paramente das Prinzip des Vorrangs der Tradition:

 

dass das religiöse Erbe, das wir von unseren Vorfahren überliefert bekamen, einen Einfluß auf uns ausübt. Wir übernehmen in den Paramenten ein Bildnis des Glaubens von unseren Vorfahren, ein Geschenk.

 

Ja, Liturgie ist ein Geschenk, das wir nicht so lange gestalten und verändern dürfen, bis es uns gefällt. Das Geschenkt e m p f a n g e n wir, und das Geschenk sind wir, wenn wir uns dem Herrn hinschenken. Die Einladung, den Leib Christi würdig zu empfangen, an ihm Anteil zu gewinnen, ist zugleich Passion – nicht Errungenschaft, nicht Leistung, nicht Selbsterworbenes.

 

Wenn das Ziel menschlicher Existenz nicht mehr Gott, sondern innerweltliches Glück ist, musste sich ihm auch die Liturgie beugen. Vor hier aus begann der falsche Glaube an den Fortschritt hin zur Selbstvervollkommnung mittels der Wissenschaft und der idealen Gesellschaftskonstruktion.

 

In allen Experimenten der Loslösung von der Tradition auch bis hinein in das kunst-schaffende Handwerk, dienen die Ergebnisse häufig nicht mehr dem Aufstieg zu Gott, sondern dem Hinunterziehen Gottes ins Eigene, ins Reich der Ideen der Selbstverwirklichung. Liturgie, Kult, Kunst aus eigener Vollmacht führt zu einem Fest, das sich das Volk selber gibt und sich darin bestätigt. Anbetung wird zu einem sich selbst suchenden Kult: Gott muss da sein, wenn er gebraucht wird, und er muss so sein, wie er gebraucht wird. Der Mensch gebraucht Gott zu seiner Selbstbestä-tigung und stellt sich, wenn auch nach außen verborgen, in Wirklichkeit über ihn.

 

 

 

Wir haben gesagt: Liturgie ist ein Geschenk, das wir nicht so lange gestalten und verändern dürfen, bis es uns gefällt. Das Geschenkt e m p f a n g e n wir, und das Geschenk sind wir, wenn wir uns dem Herrn hinschenken. Die Einladung, den Leib Christi würdig zu empfangen, an ihm Anteil zu gewinnen, ist zugleich Passion – nicht Errungenschaft, nicht Leistung, nicht Selbserworbenes.

 

Die katholische Tradition stützt sich auf das Prinzip, dass die Aktion primär von Gott ausgeht. Solange der Mensch sich für den Akteur des heiligen Geschehens hält, entsteht eine g e m a c h t e Liturgie, die den Sinn für das Sakrale verliert.

 

Die Beibehaltung der Sakralität, des Geheimnisses, der Mystik fördert die Umsetzung des Glaubens.

 

Wahre Liturgie und persönliche Glaubensbiographie verlaufen ineinander und werden historisches Zeugnis in der Geschichte der Paramente: Jedes liturgische alte Parament erzählt seine wahre Glaubensgeschichte.

 

 

 

Der Priester betet: der Herr nehme „mein und euer Opfer“ an als Gabe, als Lebenshingabe, nicht auf dass es uns, sondern auf dass es IHM gefalle. So sind wir eingeladen, würdig an der Feier des Hl.Kreuzesopfers teilzuhaben, nicht „mit zu machen“, sondern sich mitnehmen zu lassen.

 

 

 

Im Lateinischen heißen die Vorfahren antecessores, wörtlich: Erblasser des Glaubens, diejenigen also, die uns vorausgegangen sind. Sie sind v o r uns, nicht hinter uns! Sie haben ihren Lauf vollendet und profitieren nun von dem, was sie an Gottesbe-ziehung vorweg eingeübt haben.

 

Eine möglichst klare Abbildung des Heilsgeschehens auf Textilfasern, die homogene farbliche Abstimmung der gewählten Futterstoffe zu den Damasten und Prokaten, die Auswahl der Borten:

 

all das dient zur Hervorhebung der auf den Stäben dargestellten Abschnitte der Heilsgeschichte.

 

Wir sind die Erben, als Gläubige, als Christen, als Priester – Miterben der Heiligen. Ein Erbe ist jemand, der erbt, d.h. Selbt-Empfangenes weiterreicht, als festes Gut erhalten möchte.

 

Paramente sind in gewisser Weise Ikonen, die das Antlitz von Christus, das Antlitz der Gottesgebärerin, das Antlitz vieler Heiliger ausstrahlen, damit wir in diesem Leben SEINEN Geist erfassen und Seine Herrlichkeit im kommenden Leben er- halten, empfangen.

 

 

 

Die Liturgie ist ein ständiges Anlegen von Christus, das ein Ablegen des alten Menschen voraussetzt.

 

Wir suchen auf Paramenten – ähnlich wie auf Ikonen – umsonst nach einer Signatur dessen, der sie in vielen Stunden Handarbeit gewoben, bestickt, genäht und geflickt hat. Das künstlerische Schaffen gilt völlig der Verehrung des ANDEREN.

 

Es ist wie beim Ablauf der Messfeier: der Ausgangspunkt ist die Tradition – das Ziel ist der unmittelbare Kontakt mit Gott, dem einzig HEILIGEN. Dazwischen verrichten die menschlichen Akteure ihre Arbeit so gut sie können, aber sie unterwerfen sich dem Ziel, indem sie selbst „aus dem Weg gehen“, auf ihre Signatur verzichten.

 

 

 

Unserer Teilnahme an der Liturgie der Kirche wird uns, gut oder armselig, auf unsere Teilnahme an der himmlischen Liturgie vorbereiten: Sehen wir nicht alles auf Christus zentriert, beginnen wir uns zu stören an den wertvollen Materialien, am Prokat, an aufwändigen Borten und Zierleisten – und wir werden zu Kritikern des kostbaren Nardenöls, das über Jesus ausgegossen wurde, um seinen Leib im Voraus in Liebe für das Begräbnis zu salben.

 

Damit gilt auch hier: Überall auf der Welt, wo das Evanglium verkündet wird, wird man sich an sie,

 

hier: an die Hersteller der Paramente, erinnern und erzählen, was sie getan, wieviele Stunden der Mühe sie für Christus zugebracht und verwendet haben.

 

Dieses weite Gebiet ihres segensreichen Handwerks nimmt das bewegende Schauspiel der symbolreichen Zeremonien, der selbstverneinenden Verehrung des transzendenten dreieinigen Gottes vorweg.

 

 

 

Mit der Wiederherstellung des Alten, des im Handwerk empfangenen Erbes, kommt gerade nicht die Haltung eines persönlichen Geschmacks, einer „Vorliebe“ zum Ausdruck, sondern wird vielmehr der Weg der Neugeburt der Christenheit aus Schutt und Asche vorausgedeutet; es ist ein Handwerk für die Wiederherstellung von Identität, Verständigkeit und geistlicher Gesundheit; es wird darin katholischer Glaube wiederentdeckt, wieder-verwirklicht in seinem höchsten und vollkommensten Ausdruck.

 

Sofern Paramentik allein auf das Kreuzesopfer unseres Herrn, auf die ehrfurcht- gebietende Realität Seiner Anwesenheit in der Eucharistie ausgerichtet ist, ist sie nicht nur Mittel zum Zweck, sondern vereint in sich schon das Ziel: die Teilnahme an der himmlischen Anbetung des Lammes.

 

Ja, die Arbeit insbesondere an römischen Kaseln ist ein Siegel des Sieges über alle willkürliche Verformbarkeit der Liturgie. Sie steht für die unveränderliche Vereinigung mit Christus, für die Universalität des Mystischen Leibes und bringt den Glauben an die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ anschaulich-optisch zum Ausdruck.

 

Da Heiliges heilig verwaltet werden soll und das Opfer unseres Herrn das Heiligste von allem ist, hat die katholische Kirche, damit es würdig und ehrfürchtig dargebracht und empfangen werde, die Kunst der liturgischen Kleidung zu einer Verherrlichung Gottes, zu einer rechten Form der Anbetung werden lassen.

 

Herzmitte der gesamten Sorge unseres rechten Dienstes in der Liturgie ist es, Gott die Ehre zu erweisen und sein Volk zu heiligen.

 

Wenn wir Römische Katholiken sein sollen, wenn wir Erben und Empfänger unseres Glaubens sein wollen, wenn wir Nachahmer der Apostel und aller Heiligen sind, dann brauchen wir einen festen Stand außerhalb der Modernität, der den Ursprung nicht in der Rebellion hat, sondern das Ziel anstrebt, nicht von dieser Welt zu sein!

 

Eine solche Liturgie setzt den offenen Himmel voraus; wenn der Himmel nicht geöffnet ist, wenn die Liturgie verflacht und sich alles auf ein Rollenspiel reduziert, auf eine Suche nach der Selbstbestätigung der Gemeinschaft, dann existiert das Gött-liche nicht mehr.

 

Nur wenn die Liturgie ein Werk Gottes sein und bleiben darf, muss sie alle Selbstbe-züglichkeit der Christen in Schranken weisen. Volk Gottes und Leib Christi stehen durch den Priester in einer Wechsel-Wirkung: Der Priester tut und sagt in der Liturgie das, was ihm zusteht; von sich aus aber kann er nichts sagen oder tun. Er agiert in persona Christi; er ist kein Delegat der Gemeinschaft, sondern in ihm besteht das Sakrament Christi des Hauptes, was exakt den Primat Christi ausdrückt, der die Bedingung und Grundlage jeder katholischen Liturgie ist. Gerade darum stellt der Priester diesen Primat Christi dar, und ermöglicht dadurch, dass die Gläubigen zum Himmel gehen können, zu DEM, der jede Grenze überwindet.

 

Darum ist die Zelebration der frühen heiligen Liturgie Herz jeder Erneuerung der Kirche.

 

Die Freiheit nach den alten Büchern zu zelebrieren ist die große Neuentdeckung und Freude des jungen Klerus – der gar nicht nostalgisch sein kann, weil er diese Liturgie bisher nicht kannte! Sie ist die tiefe Antwort auf die Herausforderung der Verweltlichung und des Laizismus, die klärende Antwort auf den antichristlichen-soziologischen Humanismus.

 

 

 

Fragen wir kritisch: Hat der Novo Ordo wirklich zur Glaubensvertiefung, zur Hochzeit einer Liebe der Beziehung zum Lebensspender, zum Erlöser und Befreier beigetragen? Eines wird man niemals über ihn sagen können:

 

Dass er die Messe unserer Vorfahren gewesen sei – damit auch nicht die Messe, nicht der Glaube derer, die etwas so Überlebenswichtiges an uns vererben und weiter rei-chen hätten wollen.

 

Wie wollen viele Anhänger der Moderne die Unverletzlichkeit n i c h t – katholischer Sitten und Gebräuche behaupten und ihre Beibehaltung in der Kirche verlangen, während wir gleichzeitig unsere katholischen Gebräuche und unsere katholische Kultur preisgeben sollen?

 

Wertschätzung heißt Inkulturation: Schätze der Tradition wieder zu beleben!